Essen packt an!

Warm durch die Nacht - Tourbericht 22.04.2016 von Judith

- Würde ist nicht nur ein Konjunktiv -

Als ich am Schuppen ankam, waren Birgit, Elke, Kerstin und Janita schon emsig bei den Vorbereitungen. Auch unser treuer Micha kam noch dazu.
Das Fahrrad war schon gerichtet, Hühnernudeltopf und Balkantopf bereits eingefüllt. Birgit hatte in den Balkantopf zusätzlich noch Würstchen geschnitten, damit er noch ein bisschen deftiger und sättigender wurde.
Der erste Bollerwagen war bereits beladen mit einer großen Auswahl an Gebäck, Joghurt und Obst von der Tafel. Sogar frische Trauben waren dabei. Großartig!
Der zweite Bollerwagen wurde nun beladen. Dieses Mal wollten wir besonders warme Kleidung mitnehmen, denn es soll ja wieder deutlich kälter werden.
Janita hatte einen gespendeten Schlafsack und eine Isomatte mitgebracht und irgendetwas sagte uns, dass es gut wäre, sie mitzunehmen. Reichlich Hygieneartikel und Hundefutter packten wir dazu und ließen noch eine Lücke, denn Vroni wollte uns noch warme Pullover aus dem Lager mitbringen.
Pünktlich starteten wir zum Nord, wo wir bereits von unseren Lieben, aber auch von den Tourengängern Petra, Volker und Chucky erwartet wurden. Petra ergänzte dann auch gleich unsere Ladung mit T-Shirts und Hygieneartikeln. 
Kurz darauf kamen schon Micha und Vroni mit dem Gebäck von Förster und Vroni blieb dann bei uns für die Tour.
Schnell waren wir umringt und arbeiteten Hand in Hand, packten Päckchen, richteten Heißgetränke, reichten Gebäck, Obst und Joghurt, gaben Hygieneartikel aus und auch die ersten Kleidungsstücke wechselten ihre Besitzer.
Ruckzuck war der erste Behälter Eintopf leer und Birgit musste auffüllen, damit das Essen schnell wieder heiß wurde.
Ein junger Mann erzählte uns, dass er für Montag eine Einweisung in die Klinik hat und

wir packten ihm viele Hygieneartikel zusammen. Auch ein Paket mit Lebensmitteln stellten wir für ihn zusammen, damit er übers Wochenende kommt.
Das junge Pärchen, das im August einen kleinen Jungen erwartet, kam zu uns, er ganz bedrückt und sie kreidebleich.  Er erzählte uns, dass er sich um sie Sorgen macht und um das Kind, da sie ja schon einmal ein Kind verloren hätte. Sie sagte uns, es ginge ihr gar nicht gut, sie hätte Magenschmerzen. Bei der letzten Vorsorgeuntersuchung  sei aber alles in Ordnung gewesen, nur der Blutdruck sei recht niedrig.
Wir richteten ihr einen Tee und dann nahm sie doch etwas Gebäck und Obst mit. Eine warme Suppe wollte sie nicht. Leider war auch in dem Moment der Behälter leer, so dass wir ihn auch nicht versorgen konnten und ihn baten, an der nächsten Station wiederzukommen, wenn die Suppe heiß ist. Zur nächsten Begegnung mit den beiden komme ich später dann nochmal.
Wir zogen weiter zur Marktkirche. Inzwischen werden wir  von immer mehr Leuten  begleitet, die sich nach dem Essen nicht von uns verabschieden sondern weiterhin die Nähe, die Gesellschaft und die Gespräche genießen wollen. So bekommen wir dann von Einigen auch Unterstützung beim Ziehen und Schieben der Fahrzeuge. Es hat schon was von einer kleinen Prozession, die da dreimal pro Woche die Kettwiger entlangzieht.  ;-)
Schnell wurden wir auch hier entdeckt und alle kamen, aßen und freuten sich über Obst, Gebäck und Joghurt. Kaffee, Tee und Kakao waren begehrt zum Wärmen und viele brauchten Kleidung und Hygieneartikel.
Dann kam plötzlich Christine auf uns zu. Sie kennt uns nicht durch Facebook sondern über die Tafel und würde gerne helfen. Und das tat sie dann auch engagiert bis zum Ende der Tour. 
Einen ganz besonderen Moment erlebte Vroni. Sie erzählte es mir per PN und ich ergänze mal meinen Bericht mit ihrer Nachricht: „Eine kleine Episode für den Bericht: J. umarmte mich an der Marktkirche und sagte: "Du riechst aber gut! Riech mal an mir!" Er duftete wirklich sehr gut und erzählte mir, dass sei Fahrenheit von Dior. Er geht fast täglich zu Douglas. Die netten Damen dort kennen ihn schon und erlauben ihm, sich mit einem Tester anzusprühen. So hat er dann jeden Tag einen anderen, angenehmen Duft. Das ist auch eine Methode, einem Menschen, der sich nicht regelmäßig waschen kann, ein ganz kleines bisschen Würde mitzugeben, einfach dadurch, dass er angenehmer riecht. Einfach super von den Douglas-Damen!“
I. statteten wir mit einer Jacke aus. Zunächst wollte er eine dünne, aber wir warnten ihn, dass es in den nächsten Tagen sehr kalt werden würde. So nahm er dankbar eine wattierte braune Jacke, die ihm richtig gut stand und farblich klasse zu seinen blonden Strähnen passte.  Im Gegenzug gab er uns seine, um die später an wärmeren Tagen noch mal an jemanden anderen weiterreichen zu können.
Ganz glücklich war er, als Vroni ihm dann auch noch Feuchttücher reichte, damit er sich seine Hände reinigen konnte. "Aaaaaah, wie gut, das ist so angenehm. Endlich!"
Dieses Bedürfnis haben viele unserer Lieben und wir haben deshalb jetzt Feuchttücher in unsere Bedarfsliste aufgenommen. Wir brauchen da ganz dringend viele von. Unsere Lieben wollen sauber sein, am liebsten würden sie wahrscheinlich auch duschen. Diese Möglichkeit haben sie in der Maxstraße nur, wenn sie dort auch gemeldet sind und am HB kostet es 10 (!) €.
So haben die wenigsten die Möglichkeit, ein Grundbedürfnis, was nun wahrlich zur Würde eines Menschen gehört, zu befriedigen.
Ein Stammgast kam auf den Bollerwagen zu und ich fragte ihn, was er sich aussuchen mag. Als ich ihm auch Obst anbot, schaute er fragend, weil er nur wenig Deutsch versteht. So kam es zu einem 5-minütigem Deutschunterricht und er lernte die Vokabel „Apfel“. Grinsend wiederholte er immer wieder das Wort und schien richtig stolz zu sein, etwas Neues gelernt zu haben. Beim nächsten Mal werde ich dann Vokabeln abfragen.  ;-)  Wär doch gelacht, wenn er bei uns nicht noch was lernen würde.  
Ein anderer junger Mann kam auf uns zu und fragte in gebrochenem Englisch nach einem Schlafsack. Und ja, er, der wirklich nachts draußen schläft,  hatte schon so oft danach gefragt und wir hatten ihn bis jetzt nicht versorgen können.
Ihr hättet das Gesicht sehen sollen, als wir unter der Decke über unserem Bollerwagen einen Schlafsack und eine Isomatte hervorzauberten! Er war fassungslos und kämpfte mit den Tränen.
Als alle versorgt waren, zogen wir weiter zum Willy Brandt Platz, denn wir hatten noch reichlich Gebäck, Obst und Joghurt, was noch bei der Tour verteilt werden musste und Eintopf war auch noch genügend da.
Auf dem Weg dorthin sprach uns ein junger Mann an. Er käme nicht von hier, sei nur für eine Tagung in Essen. Ob er das richtig beobachtet hätte, dass wir Menschen, die frieren mit etwas Warmen versorgen. Ausführlich klärten wir ihn auf, was wir tun und drückten ihm natürlich einen Flyer in die Hand. Er erzählte, dass er ungern Leuten, die ihn darum bäten Geld in die Hand gäbe, deshalb aber auch ein schlechtes Gewissen hätte. Aber hier sähe er, dass Geld, was er spendet, bei den richtigen Leuten ankäme und eher wir uns versahen, drückte er Vroni einen Schein in die Hand. Er ginge, mit eigentlich einem schlechten Gewissen, nun in ein gepflegtes Hotel, aber wir hätten dafür gesorgt, dass er sich nun ein wenig besser fühle. Mit den Worten: „Ich muss euch einmal dafür drücken“ umarmte er uns und verabschiedete sich.
Oben an der Post war richtig was los. Erneut hatten wir großen Andrang. Petra und Volker richteten ein Getränk hinter dem nächsten und wir mussten tatsächlich noch einmal Wasser nachholen.
Viele brauchten etwas zu Essen, Hygieneartikel, Futter für die Hunde und auch Kleidung. Wir packten auch kleine Päckchen fürs Wochenende. Man merkte wieder mal, dass am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig war.
Und dann sah ich plötzlich aus dem Augenwinkel, dass unser Pärchen noch einmal auf uns zukam. Sie machte gerade einen letzten Zug an einer Zigarette, um sie dann wegzuwerfen. Es folgte ein deutliches Gespräch über die Gefahr des Rauchens für ihr Baby und sie. Sie war ganz erstaunt. Davon habe sie noch nie gehört, dass das für ihr Kind schädlich sein könnte. Mich hat das ein wenig erschüttert. Hatten sie doch noch am Nord große Sorgen um ihr Baby geäußert.
Ein großer stabiler Herr fragte nach einem warmen Pullover und wir wurden schnell fündig. Auch mit Socken und T-Shirt konnten wir ihn ausstatten und mit Hygieneartikeln und Hundefutter. Er war ganz gerührt, bedankte sich mehrmals und sagte: „Toll, Weihnachten habe ich oft nicht so viel gekriegt, wie hier.“
Gegen 22 Uhr waren alle versorgt und zufrieden und unsere Suppenbehälter leer. Wir reinigten das Suppenfahrrad und traten den Rückweg an.
A. den wir auf dem Hinweg schon gesprochen hatten und der ein wenig kränkelt, brachten wir noch die versprochenen Hustenbonbons und kehrten dann zurück zum Schuppen.
Müde, aber mit dem Gefühl, einigen Menschen ein wenig Würde zurückgegeben zu haben, die andere ihnen nehmen, ging es nach Hause.
Das war wieder eine beeindruckende Tour mit vielen berührenden Momenten, die einem zu Hause immer noch einmal durch den Kopf gehen.
Und Montag: auf ein Neues! Vielleicht mit dir?



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